Am 9. April 2020 ist der emeritierte o. Professor am Fachbereich für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Hans Heinrich Rupp, im Alter von 94 Jahren verstorben. Mit ihm verloren Fachbereich und Universität eine ihrer im besten Sinne prägenden Persönlichkeiten.
Geboren 1926 in der damals noch bayerischen Pfalz, gehörte er zu der Generation, die den Nationalsozialismus mit großem Bewusstsein und in der Schlussphase den 2. Weltkrieg noch als Soldat (bei der Marine) erlebte und nach dem Krieg vor der Erkenntnis gestohlener Lebensjahre und einer völligen Neuorientierung stand. Zum auch für damalige Verhältnisse in Rekordzeit absolvierten Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und Mainz fand er nach mehreren Semestern des Studiums von Mathematik und Physik. Der Promotion in Mainz 1953 mit einer bis heute aktuellen Dissertation „Die ärztlichen Berufskörperschaften“ folgten einige Praxisjahre als Richter. Gewiss hat es mit dem Vorbild seines Lehrers Otto Bachof zu tun, dass Rupp – damals durchaus ungewöhnlich – in seinen Arbeiten das Staats- und Verwaltungsrechts absolut gleichgewichtig umgriff. Seine Habilitationsschrift hatte nicht mehr und nicht weniger zum Thema als „Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre“ (1965 - 2. Aufl. 1991). Heute wäre ein solches Thema Garant für mehrbändige Folianten: Rupp löste dagegen auf weniger als 300 Seiten exakt ein, was der Titel verspricht: Die präzise Lösung von Grundfragen des Verwaltungsrechts, - zudem eine Arbeit, die bahnbrechend dazu beitrug, die deutsche Verwaltungsrechtslehre von ihrem vorkonstitutionellen Kopf auf die Füße der parlamentarischen Demokratie zu stellen. Nach der Habilitation in Tübingen (1964) folgte er einem ersten Ruf nach Marburg. Von den dort kurz darauf ausbrechenden „unruhigen Zeiten“ hat er immer wieder beredt erzählt. Sie trugen vielleicht zur Annahme des Rufs nach Mainz (1968) bei. Dem Land Rheinland-Pfalz, dessen staatsrechtliche Entwicklung er begleitet hat, der Johannes Gutenberg–Universität Mainz und seinem Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatslehre ist er trotz ehrenvoller Rufe bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1992 treu geblieben. 1972 – 1973 war er Dekan des Fachbereichs.
Will man in der gebotenen Kürze seine zahlreichen Monographien und mehr als 200 weitere Veröffentlichungen zusammenfassend würdigen, so bleiben die schon eingangs anklingenden Leitmotive: Souveräne Verbindung von Grundfragen des Verfassungsrechts und des Verwaltungsrechts sowie der stets präsente kritische Geist gegen die Verkrustungen der Dogmatik. Mir selbst sind seine Mahnungen in bester Erinnerung, statt der Verrenkungen der verwaltungsprozessualen „Zulässigkeitsprüfung“ mit endlos ausgedehnten Debatten um Klagebefugnis, Klageart und Rechtsschutzbedürfnis lieber zu den Sachentscheidungen und damit zu den eigentlich wesentlichen Fragen durchzudringen. Die Konzentration auf das wirklich Wichtige hat er seinen akademischen Schülern und ganzen Generationen von Marburger und Mainzer Studenten weitergegeben. Sie war auch mir als seinem Nachfolger auf dem Mainzer Lehrstuhl stets präsenter Ansporn.
Bescheidenheit, Gradlinigkeit, geistige und politische Unabhängigkeit waren weitere hervorstechende Eigenschaften – ja man kann es wohl Widerstandsgeist nennen, wenn es gegen für falsch gehaltene hochschulpolitische Entwicklungen, nicht legitime Machtausübung von Verbänden, die politische Funktionalisierung von Grundrechten oder auch gegen bestimmte bürokratische Entwicklungen der europäischen Institutionen– nicht gegen die europäische Einigung als solche - ging. So gehört es in diesen Zusammenhang, dass er einer der Beschwerdeführer gegen die Einführung des Euro war. Nie aber wurde die
Kritik verbissen oder gar persönlich – es war vielmehr eine große Freude, auch dort mit
ihm zu diskutieren, wo die Meinungen auseinandergingen.
Hans Heinrich Rupp taugte nicht für die Zuweisung bestimmter Attribute. „Konservativ“,
aber auch „liberal“ und „kritisch“ tun ihm gleichwohl nicht unrecht. Er hat sich nie
vereinnahmen lassen - weder von einer politischen Partei noch von einer bestimmten
„Schule“ der Staatsrechtslehre. Gerade deshalb gehörte er erfolgreich zweimal dem
Vorstand der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer an, 1984-1986 als deren
Vorsitzender.
Rückhalt und über alle Jahre und Herausforderungen boten ihm seine Frau und seine 3
Kinder. Schwere Schicksalsschläge sind ihm nicht erspart geblieben. Der frühe Tod eines
Sohnes, der Tod seiner Frau vor einigen Jahren und gesundheitliche Beschwerden in den
letzten Jahren gehören dazu. Umso beeindruckender waren die innere Kraft und
intellektuelle Neugier bis zuletzt.
Hans Heinrich Rupp wird den Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs und der
Universität als ganz besonderer Mensch und als Wissenschaftler in Erinnerung bleiben!
Friedhelm Hufen